von Maria Blath geb. Lauber aus Gardelegen/Sachsen-Anhalt
Als Nachkomme der Tscheber Kaufmannsfamilie Lauber und als neue Teilnehmerin am Treffen wurde ich von Elfriede Korol gebeten, über das diesjährige Pfingsttreffen zu berichten.
Wir (mein Mann, meine Schwester Ingrid Schulz geb. Lauber sowie ihr Enkel und ich) waren in freudiger Erwartung angereist, und hofften auf Landsleute zu treffen, die sich noch an unsere Eltern, Markus (Max) und Irene Lauber und unsere Großeltern erinnern und uns darüber erzählen können. Doch da seit der Flucht 1944 bereits 67 Jahre vergangen waren, schien unser Ansinnen ziemlich unwahrscheinlich zu sein.
Unsere Anreise mit dem Auto dauerte 7 Stunden. Erst im Halbdunkel kamen wir in Reutlingen an, so dass wir leider das „Inoffizielle Händeschütteln im Austragungslokal Schwarz-Weiß“ am Freitagabend verpassten. Nachdem wir unsere Sachen im Hotel GERMANIA abgestellt hatten, wollten wir in der Nähe noch etwas zu Abend essen. Glücklicherweise trafen wir im Hotel noch auf eine kleine Gruppe mit Roland Groh, die vom „Offiziellen Händeschütteln“ kam. So haben wir uns begrüßt und sind zusammen in eine nahegelegene Bar gegangen. Dieser Abend war schon sehr informativ und unterhaltsam.
Der Pfingstsamstag begann mit Regen (na, schöne Pfingsten, dachte ich). Nach dem Frühstück im Hotel GERMANIA (es war jeden Tag in ruhiger Atmosphäre und gepflegter Gastlichkeit aufs Beste hergerichtet) fuhren wir den ortskundigen Teilnehmern des Treffens zur Kirche nach Orschelhagen hinterher. Vor der Kirche fand – trotz der aufgespannten Regenschirme – eine herzliche Begrüßung und Umarmung statt. Als einzig bekannte Gesichter konnten wir Elfriede und Konrad Korol begrüßen.

Der Festggottesdienst wurde von Pfarrer Richard Kappler gehalten. Roland Groh verlas das Evangelium. In seiner Predigt erinnerte Pfarrer Kappler an die schweren Zeiten und die ungewisse Zukunft, die unsere Vorfahren hatten, als sie damals ihre Heimat verlassen mussten. Er mahnte auch die jungen Leute, dieses nicht zu vergessen und stets in Erinnerung zu behalten. Konrad Korol senkte die Tscheber Handwerkerfahne bei der Wandlung zum Altar ab. Zur Freude der Gottesdienstbesucher kam, trotz seiner gesundheitlichen Beschwerden, auch Pfarrer Nikolaus Burger in Begleitung von Franz und Marianne Nachbar zur Heiligen Messe .
Nach der Kirche (die Wolken hatten sich inzwischen verzogen und die Sonne bekam die Oberhand) hatten wir abgesprochen, einem schwarzen Mercedes zum Friedhof Römerschanze zu folgen, der vom Parkplatz gegenüber kommen sollte. Als wir mit unserem Auto an der Hauptstraße ankamen, fuhr plötzlich vom Straßenrand ein schwarzer Mercedes los und wir hinterher. Wir fuhren in Richtung Süden immer weiter in die Stadt hinein und als wir schon wieder am Bahnhof waren, sagte ich: Soweit kann der Friedhof nicht sein! Und dann sahen wir, dass am Steuer ein junger Mann saß und nicht das erwartete Ehepaar. So drehten wir um und suchten anhand des Stadtplanes auf der Rückseite des Tscheber Heimatbriefes den Weg zum Friedhof Römerschanze. Als wir auf dem Friedhof eintrafen hatte die feierliche Kranzniederlegung schon begonnen. Marianne Nachbar gedachte mit einem Gebet allen verstorbenen Tschebern und Pfarrer Burger sprach bewegt einige Worte. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier von dem Trompeter Reinhold Lauer.
Im „Restaurant Schwarz-Weiß“, dem Austragungsort des Heimatortstreffens, angekommen, begrüßte Roland Groh, der erste Vorsitzende der HOG Tscheb, alle anwesenden Landsleute und Ehrengäste auf das Herzlichste. Die neuen Heimattreffen-Teilnehmer stellte er namentlich vor. Ferner verlas er Grüße aus Celarevo und Kanada und versprach, später noch Überraschungsgäste zu begrüßen. In seiner Rede erinnerte er an das Leid der Donauschwaben und an den Spruch des Vorsitzenden der Donauschwaben: „Leit halt‘ zamm“. Dies gelte heute mehr denn je! Anschließend begaben sich alle Teilnehmer auf die große Freitreppe vor dem Restaurant zu einem Gruppenfoto. Zum Mittagessen sollte es „Krautsarme“ geben. „Wer keine mag, darf sich was anderes bestellen“ hieß es. Ich erinnerte mich an meine Großeltern, an meine Kindheit und musste erst einmal „übersetzen“ was“Krautsarme“ heißt und ob ich diese essen mag: Krautwickel – Kohlrouladen – ja, das mögen wir.
Nach dem leckeren Mittagessen konnten wir, zur großen Freude aller Anwesenden, die Aufführung der Reutlingen Trachtengruppe genießen (bewundern). In schönen Trachten aus der Batschka zeigten sie uns donauschwäbische und ungarische Tänze mit schwungvollen Rhythmen. Die kleinen Künstler waren ein besonderer Augenschmaus.
Zwischen Mittagessen und Kaffeezeit gab es für uns Gelegenheit, unsere alten Fotos zu zeigen. Nachdem wir uns im letzten Jahr erstmalig auf Spurensuche begaben und nach den Wurzeln unserer Eltern suchten, wollten wir unsere Nachforschungen erweitern. Aber leider hatten nur wenige alte Tscheber die Reise zum Treffen angetreten. Einige Landsleute kamen jedoch an unseren Tisch mit den Worten: „Ich weiß genau …“ „ Ich kann mich erinnern ,,,.“ „Meine Mutter arbeitete bei euren Eltern im Haushalt, ich habe sie auch öfter abgeholt, wenn es später geworden ist“ usw. Unter anderen kam auch Hans Welsch, der sich als kleiner Junge an das „Geschäft der Laubers“ erinnerte. Bei den Gesprächen wollte ich so viele Informationen wie möglich mitnehmen, aber die vielen Namen und die Informationen waren dann so erdrückend, dass ich mir gar nicht alles merken konnte.
Bei der Ehrung der Altersjubilare (ab 80 Jahre) überreichte Alexsandra Groh, in TscheberTracht gekleidet, jedem Einzelnen ein Präsent. Es waren dies: Katharina Groh geb.Gari, Theresia Windberg geb. Mausner, Rosalia Tiefenbach, Katharina Mausner geb. Bittermann, Anna Pfefferle geb. Stefan, Rosina Bün geb. Seider, Adam Klein und Pfarrer Nikolaus Burger.
Zum Kaffee gab es am Kuchenbuffet in großer Auswahl leckeren Kuchen, nach orginal tscheberischen Rezepten. Allen Kuchenbäckern/innen sei an dieser Stelle gedankt. Die Musikkapelle spielte zum Tanz auf und bei flotten Rhythmen wurde so manches Tanzbein geschwungen. Am späten Nachmittag konnten dann die angekündigten Überraschungsgäste, es waren das Ehepaar Franz und Monika Baumstark aus Australien, mit Applaus begrüßt werden.
Ein großes Lob verdienen Elfriede und Konrad Korol, die wieder eine sehr schöne Ausstellung von Schautafeln mit Fotos, alten Tscheber Haushaltsgegenständen sowie wunderschönen Handarbeiten aus Tscheb (Leihgabe von Rosi Bün geb. Seider) zusammengetragen hatten. Brigitta Zillig bot den von ihr kreierten und sehr gelungenen Fotokalender für 2012 „Unvergessliches Tscheb“ mit schönen alten Bildern aus Tscheb zum Preis von 8.50 € pro Stück zum Kauf an (er kann auch bei ihr bestellt werden). Am Ende der Veranstaltung bekamen wir von Elfriede Korol noch einen Stapel alter Heimatbriefe überreicht, um in Mußestunden darin zu blättern und nachzulesen.
Ein großes Dankeschön an die Organisatoren und Verantwortlichen des Heimattreffens – es war ein gelungener und eindrucksvoller Tag. Das Heimattreffen war aber damit für uns noch nicht zu Ende. Wir Hotelgäste trafen uns am Abend wieder in der Hotelbar und ließen den Tag Revue passieren. Ich bedauerte, dass beim Treffen so wenig im donauschwäbischen Dialekt gesprochen wurde. Im Foyer des Hotels waren dann die Sessel zusammen gerückt worden und wir saßen noch bis in die Nacht hinein in fröhlicher Runde, unterhalten von den anwesenden Tscheber Hotelgästen mit lustigen Episoden aus dem alten Tscheb. Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns alle voneinander in der Hoffnung, uns im nächsten Jahr gesund und munter wieder beim Heimattreffen zu sehen.
Am Pfingstsonntag machten wir noch einen kleinen Abstecher in die Schweiz, in Richtung Zürich, kehrten am Abend wieder nach Reutlingen in unser Hotel zurück, um am Pfingstmontag im Reutlinger Naturkundemuseum die interessante Ausstelllung XXL-Giganten zu besuchen. Mit vielen schönen Eindrücken und Erinnerungen der vergangenen Tage traten wir die Heimreise an.