Gloschaner Markt-Bänd

Drei Tscheber Originale, es waren meine Großmutter mütterlicherseits Eva Burg, mein Großvater väterlicherseits Karl Grieser, der Spengler-Karl genannt und der Urgroßvater unseres jetzigen Vorsitzenden, Lorenz Groh, der Drechsler-Lorenz genannt. Diese drei Originale hatten sich verabredet. Morgen, am Dienstag, wollten sie miteinander auf den Gloschaner Jahrmarkt gehen, zu Fuß natürlich, denn Gloschan, das slovakische Nachbardorf, war ja nur 3 km weit weg von Tscheb.

Am nächsten Morgen, ziemlich früh, trafen sie sich bei der Eva-Bäsl, meiner Großmutter, und die hatte auch schon Frühstück gerichtet. Für jeden gab es ein Stück frisches, selbstgebackenes Brot, ein großes Stück Schinkenspeck, mit der Eisengabel im Sparherd auf der Glut gebraten (das Abtropffett mit dem Brot aufgefangen) und ein Glas Treber-Pfirsichschnaps dazu.

Nach dem Frühstück gings dann los: Der Lorenz-Vetter wollte Weinzapfpipen verkaufen und hatte einen halben Jutesack davon voll. Der Spengler-Karl hatte drei Waschrümpeln um den Hals hängen und kleine Gießkännchen aus Weisblech, Schmalzlichter und sogenannte „Mämili“ für Kleinkinder. Die Großmutter aber wollte eine Kuh kaufen, weil es dieses Jahr so viel Weinrebengeizen gab. Sie hatte damals vier Weingärten. Auch hatte sie im Rock immer eine Flasche Schnaps zur Stärkung. Der Hinweg verlief problemlos, man konnte flott laufen in der Morgenkühle. Nach einer dreiviertel Stunde hatten sie den Marktplatz erreicht, verabredeten einen Treffpunkt für elf Uhr, und dann ging jeder seinem Geschäft nach. Die Zeit verging schnell und es wurde sehr warm. Es waren viele Interessenten da, Käufer und Verkäufer. Es gab Pferde, Kühe, Schweine und Geflügel. Die Großmutter hatte es schwer, die richtige Kuh zu finden. Endlich war es soweit. Sie kaufte günstig eine kleinere Kuh mit Namen Ruminka. Das war ein braves Rindvieh, war umgänglich und ging gleich mit.

Sie blieben jedoch öfter stehen, erzählten sich was, nahmen einen Schluck Schnaps und die Kuh graste derweil.

Pünktlich um elf Uhr waren tatsächlich alle zurück am Treffpunkt. Man bestaunte die Kuh und dann ging es wieder heimwärts. Bereits gut nach zwölf Uhr hielten Sie Einzug in Tscheb. Der Groh-Lorenz, als Kleinster, ging voran. Er hatte noch eine unverkaufte Pipe und auf der blies er „Ta-tü, ta-ta“! Der Grieser-Karl trommelte auf seinem letzten Waschbrett und machte „Ratsch-ratsch“ damit. Die Ev-Bäsl sang : „In der Heimat, in der Heimat …“ Die Ruminka sagte ab und zu „Muuuh“ dazu. Viele Serbenkinder liefen hinterher und schrien: „Zivili, Zivili, Zivili…“ Das alles hat sich 1925 bei der alten Razenschule – Ecke Schwindl- Michl“ – zugetragen und man hat noch lange darüber gelacht.


Die Bärentöter

Einmal gab es in unserem Nachbardorf, in Bulkes ein großes Fest, zu dem auch die Tscheber eingeladen waren. An diesem Tag, nachmittags, fuhren daher mehrere Pferdewagen durch die Felder nach Bulkes, obzwar das Wetter nicht so schön war. Der erste Leiterwagen hatte die Musikanten mit ihren Instrumenten aufgeladen. Es folgten dann noch mehrere nach. Es gab ein rauschendes Fest. Bis gegen Morgen wurde gespielt, getanzt und gelacht. Gesoffen und gerauft. Es war weit nach Mitternacht, als der erste Wagen angespannt wurde und heimfuhr. Es waren wieder die Musikanten. Die Instrumente wurden aufgeladen, zuerst die kleineren Instrumente und dann die große Bassgeige oben drauf. Es war sehr finster in dieser Nacht, der Wind pfiff um die Ohren, und auf gings der Heimat zu.

Unterwegs führte die Straße (Feldweg) durch ein Gebiet mit Bäumen und Büschen. Es wurde sehr eng, man musste den Kopf einziehen und der Wind blies einem den Hut vom Kopf. Auch die Musiker hatten natürlich ganz schön was getrunken an diesem Tag. Jedenfalls merkten sie nicht, dass die Bassgeige an einem Ast hängen blieb und in die Büsche fiel.

Sie fuhren heim und legten sich schlafen, bemerkten jedoch nicht, dass die Bassgeige fehlte. Diese hing in dem Gebüsch und wenn der Wind die Äste bewegte, kratzten sie über die Seiten und der Bass brummte wie ein Bär. Zwischenzeitlich war es noch finsterer geworden. Da kam der zweite Wagen mit müden, betrunkenen Gästen angerollt. Als sie die Stelle passierten kam wieder ein Windstoß, es brummte laut aus dem Gebüsch, der Kutscher erschrak, sah hinüber wo das Brummen herkam, sah was dunkles, großes und das brummte wie ein Bär.

Plötzlich waren alle Mann hellwach, sahen den Bären und hörten ihn auch noch brummen. Der Kutscher hob die Peitsche, die Pferde machten einen Satz und nix wie heim! Zuhause angekommen beriet man sich, was zu tun
sei. Am besten wäre es ja, ruhig sein, denn das glaube ja sowieso niemand, aber die Gefahr war zu groß! Man weckte die Jäger des Dorfes, die holten ihre Gewehre, genug Munition und fuhren sofort los. Als sie dann endlich der Stelle näher kamen, vorsichtig und leise, da sahen auch sie im Morgengrauen den Bären in dem Gebüsch und hörten sein Brummen. Jetzt wurde es ernst. Die Haare stellten sich auf und die Finger zitterten.

„Männer“ sagte der Kommandant, „ich übernehme das Kommando“. „Gewehre laden, schwärmt aus, kniet nieder, legt an, genau zielen, gebt Feuer!“ – Rums!

Die Salve krachte in die Büsche!! Es brummte noch mal, knirschte, knackte und dann war es still …

Wir haben ihn, schrie der Oberjäger. Zur Sicherheit aber noch einmal: „Legt an, Feuer!“ Rums! Stille.- Sie schlichen sich leise ran und fanden … die Splitter vom Kontrabass! Oh weeeeeh! Um nicht zum Gespött im ganzen Dorf zu werden beschloss man, die Sache zu verschweigen. Sie sagten, der Bär war nicht mehr da. Die Bassgeige wurde heimlich ersetzt. Diese Geschichte wurde lange Zeit verheimlicht.

Ein weiteres Original war der Gastwirt Georg Karcher „Karcher-Juri“ aus der Mittelgass. Er war ein Unikum. Es fing schon bei seiner Mutter an, die ein kleines Lebensmittel-Geschäft hatte. Wenn man rein ging, sah man zuerst gar nichts. Es war halt finster und dunkel. Die Glocke bimmelte und dann stand sie plötzlich mit einer schwarzen Katze auf der Schulter vor einem. Wenn man jetzt sagte: “Schwarz-Katz-Bäs gebt mir für 1 Dinar Buckelblau“, hatte Sie plötzlich einen Besen in der Hand und man bekam was man wollte, eben „Buckelblau“. Ihr Sohn der Juri-Vetter war Gastwirt, konnte Zähne ziehen, natürlich ohne Schmerzspritzen. Er renkte ausgekegelte Gelenke wieder ein, war Buchhalter beim Vorschussverein, welcher in seinem Hause jeden Sonntagvormittag Bürostunde hatte. Auch der „Leichenverein“ hatte in seinen Räumen Geräte zur Aufbahrung eingelagert. Der Leichenverein war eine sehr gute soziale Einrichtung. Bei einem Sterbefall wurden die Kosten auf die Mitglieder aufgeteilt und von einem Boten, dem „Totenvogel“, so wurde er genannt, einkassiert.


Ein weiteres Original – Gastwirt Georg Karcher

Beim Karcher Juri trafen sich auch die Serben und Slovaken zu einer jährlichen Veranstaltung. Zuerst gab es ein Theaterstück: „Scharan – der Karpfe“, jedes Jahr dasselbe, viele Jahre lang. Anschließend wurde getanzt. Es spielte die „Medjanbande“ eine ungarische Tanzmusik.

Es waren schöne Zeiten.

Öfter wurden auch Deutsche eingeladen, aber keiner ging hin. Das war eigentlich ein Fehler. Da war auch noch die Tochter vom Juri-Vetter, die „Karcher Tera“, ein unheimlich tatkräftiges Mädchen. Sie kam öfter in unser Geschäft einkaufen und heiratete den Kammerdiener vom Dundjerski, den Marko Kotaljon. Er sperrte täglich die herrschaftlichen Wolfshunde in den Zwinger. Wir Buben stiegen über den Zaun in den Schlosspark und klauten die Bambusnüsse und von den Boxi-Bäumen die Samenschoten (Schalaugen). (Nikolaus Grieser im Heimatbrief Nr. 35 / 2006)


Nikolaus Grieser


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