von Rosina Sperlich
Sonnenschein, strahlend blauer Himmel mit Schäfchenwolken, ein buntes Blütenmeer, summende Bienen, Geruch nach Honig in der Luft, freudig festlich gekleidete Menschen stehen vor der St. Andreas Kirche in Orschel-Hagen. Ja, das kann nur eines bedeuten: Es findet das Tscheber Heimattreffen statt.
Der Tradition gemäß beginnen wir auch heuer mit einem Gottesdienst. Pfarrer Prälat Nikolaus Burger, Ehrendomherr, dem wir so viel verdanken, lässt es sich trotz seines hohen Alters – in diesem Jahr wird er seinen 80. Geburtstag feiern – nicht nehmen, die Heilige Messe zu zelebrieren. Doch welch wacher, lebendiger Geist wohnt in diesem betagten Körper! Unterstützt wird er von Pfarrer Kappler, dem auch an dieser Stelle unser Dank gebührt. Wie gut, dass unser Herr Gott und die Lehren des Evangeliums noch immer an erster Stelle in unserem Leben stehen!
Kranzniederlegung am Tscheber Gedenkstein auf dem schönen Friedhof Römerschanze unter schattigen Bäumen, lichtdurchflutet. Nein, unsere Verstorbenen sind nicht tot; sie sind in uns lebendig, und wir glauben an die Auferstehung, an die Ewigkeit, an ein Wiedersehen. Auch hier findet Pfarrer Prälat Burger die treffenden Worte: „Die Taufe ist die Eintrittskarte zum Paradies. Alle unsere Vorfahren wurden getauft. Und wenn jemand Zweifel an seinen Verstorbenen hat, dann möge er für sie beten.“ Das Gebet – die stärkste Kraft im Universum! Ein ergreifendes Trompetensolo und ein gemeinsam gesungenes Lied beschließen diese kleine Gedenkfeier.
Doch nun schnell in das nahe gelegene Austragungslokal Cafe-Restaurant Schwarz-Weiß. Hier verdienen Elfriede und Konrad Korol ein besonderes Lob für die schöne Ausstellung heimatlicher Bilder, gemalt von Josef Seider aus Tscheb, wunderschöne Handarbeiten wie Taufkissen, Kapeerdecken, Überhandtücher und andere Haushaltsgegenstände, die von Dorothea Strobel geb. Haditsch und ihrer Mutter Anna Haditsch zur Verfügung gestellt werden und aus dem Besitz der Familien Familien Puss, Karcher und Haditsch stammen. Da kommt so manche Frage, besonders der Jüngeren, auf: „Was ist das denn? Was hat man damit gemacht?“

Sicher und routiniert leitet unser allseits geschätzter und geachteter Vorsitzender, Roland Groh, auch in diesem Jahr durch das abwechslungsreiche Programm. Jede Darbietung ist ein besonderer Höhepunkt. Da kommt keine Langeweile auf. Fröhlich geht es zu bei den Tschebern.
Nach seiner Begrüßung der Landsleute und Ehrengäste spricht Rosina Sperlich einfühlsam zum Thema „Heimat“. Manches Auge wird feucht bei ihren gefühlvollen Worten. Ja, Heimat ist nicht nur ein geographischer, sondern auch ein Ort der Begegnung, ein Ort der Liebe und Treue.
Herr Supritz – 1. Vorsitzender der Landsmannschaft Donauschwaben – erfreut die Gesellschaft nicht nur mit hervorragenden Tipps zu in diesem Jahr stattfindenden Ausstellungen und Veranstaltungen der Donauschwaben, ihrer Geschichte und Traditionen in Ulm, sondern weiß auch sehr kurzweilig aus seiner Jugendzeit zu berichten:
Als Junge züchtet er Tauben. Bei einem Streifzug mit einem Freund auf der Suche nach Nistplätzen wild lebender Edeltauben entdeckt er in einer Dachrinne einen in Lumpen und Schweineschmalz-Bandagen eingewickelten Trommelrevolver – ein Schatz für einen jungen Burschen! Ein Schuss ist noch drin, doch nichts passiert. Zu Hause hantiert er auf dem Amboss des Vaters damit herum. Ein ohrenbetäubender Rums, ein Schuss geht los und schlägt in der Schmiede ein. Später hat er sich bei den Partisanen weitere Munition besorgt, indem er den zu Hause manchmal aus USA-Paketen vorhandenen Kaffee seiner Mutter eintauscht. Doch als sein Vater die gefährliche Waffe entdeckt, ist es aus mit dem Spiel. Er wirft sie sofort in das Plumpsklo. Doch das kann Herrn Supritz nicht abhalten. Geschwind wird ein Stecken besorgt, Nägel eingeschlagen und die Waffe in mühseliger Arbeit und langen Stunden wieder herausgefischt. Das war 1953. 1954, vor der Ausreise, hinterlässt er damit seine Spuren auf den ca. 60 x 40 cm großen schwarzen Entfernungstafeln der Donau zum Schwarzen Meer. Oft hat er diese unglaublich anmutende Geschichte schon zum Besten gegeben. Doch einmal steht der Tscheber, Adam Roth, auf und bestätigt, dass sich alles genau so zugetragen hat.
Doch am meisten beeindrucken seine Worte: „Ach, was hatten wir als junge Kerle doch für eine große Freiheit. Ich wünschte, das hätte auch jedes Kind von heute.“
Doch nicht genug damit. Nach dem Mittagessen weiß Herr Dr. Krauss vom Donauschwäbischen Institut Tübingen mit seinen fundierten Recherchen und Hintergrundinformationen zum Thema „Die Ermordung des Gutsherrn Márffy aus Tscheb im Jahre 1812“ die Zuhörer zu fesseln – eine an einen spannenden Kriminalroman erinnernde Geschichte, bei der man eine Stecknadel zu Boden fallen hören kann.
Ein Schmaus für die Augen folgt durch die Tänze der Donauschwäbischen Tanzgruppe Reutlingen mit der absolut gekonnten Darbietung deutscher Tänze. Im Kronenwald ist Holzaktion – ihr wisst es schon´ oder
Wenn der Vater mit der Mutter auf die Kirchweih geht` und viele andere Weisen werden schwungvoll, in schöner Tracht gekleidet, dargeboten. Besonders die Kleinsten wissen zu entzücken. Um unsere Zukunft ist es gut bestellt, wenn junge Leute wie in dieser Tanzgruppe unser altes Brauchtum und unsere Kultur lebendig und wach halten!
Aber in Tscheb sind auch die Alten nicht vergessen. Roland Groh findet warme Worte für jeden einzelnen der Jubilare und auch die Präsente, überreicht von den in Tscheber Tracht gekleideten (3 Unterröcke müssen mindestens sein) Groh-Damen Cornelia und Alexsandra werden gern entgegen genommen. Wir sind stolz und dankbar für unsere „Alten“ und ihre Leistungen, ihre Ausdauer, ihre Kraft, ihre Stärke, ihren Mut. Mögen sie alle beim nächsten Mal wieder dabei sein – sie die letzten Augenzeugen, die letzten lebenden Erinnerungen!
Gedichte, vorgetragen von Franz Hild aus Franzfeld, sorgen nochmals für einen Augenblick des Innehaltens, des Nachdenkens. Es macht Freude, dass unsere schöne Sprache auf diese Weise in Erinnerung bleibt.
Doch nun genug der vielen Worte. „Wir sind schließlich auch zum Schwätzen hergekommen“. Und dazu haben nun alle reichlich Gelegenheit. „Weißt du noch?“ Es werden schöne Erinnerungen ausgetauscht: „Ich habe Deine Mutter gekannt. Wir haben im Lager zusammen gearbeitet. Ich hab sie sehr gern gehabt. Warum ist sie nicht mitgekommen? Ich hätte sie so gerne noch einmal gesehen.“ Es wird gescherzt und gelacht. Eine Anekdote nach der anderen macht die Runde und auch die liebevollen Neckereien unter Menschen, die sich gut kennen, kommen nicht zu kurz. Fotoalben gehen rum. Wer kennt die Frau ganz links auf dem Bild oder den Mann in der dritten Reihe rechts oben? Freundschaftsbande werden erneuert.
Landsmann Andreas Müller, der noch nichts von seinem Können eingebüßt hat, spielt auf und da fliegen die Röcke zu den bekannten Klängen. Nicht nur die Herzen, auch die Beine werden wieder jung bei Polka und Foxtrott und den schönen Walzer-Melodien. Da ist von den sonst doch schon mal plagenden Zipperlein nichts mehr zu spüren. Das Leben will gelebt sein – Heute leben wir! Wir verstehen zu feiern!
Und dann ist es wieder soweit: Zeit zum Abschied nehmen. „Es ist wieder schön gewesen“. „Nächstes Jahr kommen wir wieder.“ „So schön wie dieses Mal, war es noch nie. Danke schön.“
Ein wunderbarer Tag geht zu Ende, doch ist er nicht vorbei. Er lebt in unserer Erinnerung, in unseren Herzen weiter. Kraft und Hoffnung haben wir uns geholt auf diesem Zusammensein, aus der Gemeinschaft, Glück und Freude erfahren, Liebe gegeben, Liebe bekommen.
„Mit Liebe könnt ihr die Welt erobern!“