Mein Vater, Adam Ernst, hatte das Bäckerhandwerk (3-jährige Lehre) in Neusatz (Novisad) gelernt. Nach der Meisterprüfung machte er sich – mit Hilfe seiner Eltern – selbständig, und fortan gab es in Tscheb den Ernstbeck. Seine Ehefrau, meine Mutter, Magdalena Ernst geb. Lamek, erinnert sich an folgende Bäckereien in Tscheb: Hubertbeck, Wenzler Heinrich, Lackner Friedrich, Döllingerbeck und Ernstbeck. Sie meinte, alle hatten ihr Auskommen, eine Bäckerei war ein gutes Geschäft.

Unser lieber, unvergessener Seider Josef hat aus der Erinnerung an seine Lehr- und Gesellenzeit beim „Ernstbeck“ in Tscheb das nachfolgende Bild gezeichnet. Das Motiv hat mich – Elfriede Korol geb. Ernst – inspiriert, über die Arbeit in der Bäckerei meines Vaters, des damaligen Ernstbeck, zu recherchieren – und auch nach den Schilderungen meiner Mutter, der damaligen Ernstbeckin – zu schreiben. Der Bericht entstand im Jahre 2004.


Beim Ernstbeck in der Mittelgasse wurde viel Brot gebacken. Außerdem Semmel, Kipfel, Brezeln, Strudel und Zopfkuchen. (Eine Tscheberin sagte mir, dass der Ernstbeck als einziger Bäcker in Tscheb bereits damals Roggenbrot gebacken hätte). Alle paar Tage brachten die Donaumüller in Säcken das zum Backen benötigte Mehl in die Bäckerei. Vermutlich kam es teilweise aber auch noch aus der Mühle in der Kreuzgasse. Diese Mühle hatten Beck Peter, Huber Hans und mein Vater zusammen erbauen lassen und auch gemeinsam betrieben.

In der Backstube gab es eine Menge Arbeit. Es wurden fleißige Hände gebraucht. Außer Seider Josef, der bei meinem Vater eine Bäckerlehre absolviert und dann als Geselle gearbeitet hatte, waren zeitweise noch der Klein Sepp (auch Geselle und ein Cousin meines Vaters), der Minkel Sepp und ein Lehrbub aus Bosnien in der Backstube beschäftigt. Sie schliefen und aßen auch bei uns im Haus.

Täglich am späten Abend (ca. 22:00 Uhr) fingen die Vorbereitungen für das Brot an, das am nächsten Morgen gebacken wurde. Es wurde das „Dampfl“ (Hefeteig mit Wasser) gemacht und dieses musste Stunden ruhen. Wenn es „gut gegangen“ war, wurde der Brotteig mit Wasser, Salz und Mehl im Backtrog zubereitet. Anschließend wurde die Teigmenge – je Backvorgang 120 kg – geteilt, in 2-, 3-, 4- und 5-Kilolaiber abgewogen und in ein entsprechend großes „Backsimbl“ getan. Dann musste der Teig nochmals „gehen“.

Schon sehr früh am neuen Tag (ca. 4:00 Uhr) wurde der Backofen angeheizt. Dies besorgte meist unser fleißiger Josef. Dafür waren immer vorher einige Arme voll Holzspreißel und Holz gerichtet worden. War der Ofen heiß genug, wurden Asche und Kohle entfernt und der Ofenboden peinlichst gesäubert. Die Kohle wurde später zum Füllen des Bügeleisens verkauft.

Jetzt konnte der Teig aus den „Backsimbln“ auf den Holzschieber gegeben und das erste Brot am frühen Morgen (5:00 Uhr) eingeschoben und gebacken werden. Das Backen dauerte zwei Stunden. Bis um 7.00 Uhr frühmorgens musste der erste Backvorgang beendet sein, denn dann kamen auch schon die Bauern (und auch andere Leute) und brachten ihren Brotteig in ihren „Backsimbln“ zum Backen. Um 9:00 Uhr konnte das frisch gebackene Brot abgeholt werden. Jetzt war schon der zweite Backvorgang geschafft. Danach wurde nochmals Teig gemacht, und nach dem „Gehen“ wiederholte sich der Vorgang des Teilen, Wiegen etc. Das Arbeiten in der Backstube ging bis etwa um 1:00 Uhr. Nach dem gemeinsamen Mittagessen legten sich Meister, Gesellen und Gehilfen zum Schlafen und Ruhen nieder. Sie hatten ja nachts gearbeitet.

Im Sommer wurde oft noch früher mit dem Backen angefangen. Wenn die Leute bei der Hitze sehr früh ins Feld gingen, konnten sie vorher schon ihr Brot kaufen und mitnehmen.

Ansonsten kam die Kundschaft vom Dorf zum Brotkaufen ab 7:00 Uhr morgens zu jeder Tageszeit zu „Ernstbecks“ in die „Backkuchl“.

Damals gab es keine festen Geschäftszeiten. Das Verkaufen der Backwaren oblag den „Ernstbeckfrauen“ Magdalena sen. und Magdalena jr.

Täglich wurden auch zu unserer Csarda (Richtung Palanka – am Beginn des Damms zur Donau hin) oft bis zu 10 kg Brot geliefert. Dorthin kamen die Arbeiter von der Hanffabrik zum Essen sowie auch das arbeitende Volk aus den nahegelegenen und angrenzenden Weingärten und Feldern. Und die Fischer kamen schon in aller Früh. Bei der tüchtigen und sehr gut kochenden Pächterin der Csarda, der sog. „Groschenwirtin“, unserer „Haditsch-Evbäsl“- sie war eine Schwester der Ernstbeckin sen. – kehrte man sehr gerne ein. Sie kochte ein vorzügliches Fischpaprikasch, und dazu schmeckte das täglich frische „Ernstbeckbrot“ besonders gut.

Im Winter wurden von Samstag auf Sonntag mürbe Brezeln (keine Laugenbrezeln) gebacken. Die Zubereitung dieser Brezeln war nur möglich bei Außentemperaturen unter Null Grad. Die fertig geformten Brezeln mussten nämlich „draußen gefrieren“, sie bekamen sozusagen vor der weiteren Verarbeitung einen Kälteschock. Waren die Brezeln fertig, kamen die Semmel und Kipfel dran. Brot wurde von Samstag auf Sonntag nur einmal gebacken.

Die frischen Brezeln (nur im Winter), Semmel und Kipfel wurden am Sonntagmorgen dann zu 100 Stück in Kraxen (Körbe – s. Zeichnung links unten) gefüllt. Mit dem Fahrrad, aber auch zu Fuß, fuhren und gingen die Gesellen und Helfer mit den Kraxen auf dem Rücken nun mit „der Bach“ – und mit einem „Päbl“ blasend – frühmorgens (ab ca. 6:30 Uhr) durch die Gassen von Tscheb. So wussten alle: „Jetzt sind die Leute vom Ernstbeck mit seinen Backwaren (Sonntagsfrühstück) da“. Jeder „Austräger“ hatte seine Kundschaft, z.B. die Wirtshäuser oder die Privatleute. Bis 9:00 Uhr waren alle wieder mit leeren Körben zurück beim Meister und der Meisterin. So hörte ich Josef in späten Jahren immer noch respektvoll sagen, wenn er von meinen Eltern sprach.

Sonntagsfrüh wurden zusätzlich Strudel und Zopfkuchen gebacken.Manche Leute brachten auch da ihren Strudelteig früh zum Backen. Bei Ballveranstaltungen im Winter, bestellten die Wirte immer mindestens 100 Brezeln je Veranstaltung. Die Brezeln müssen wohl die Spezialität meines Vaters gewesen sein, denn ein Tscheber Ehepaar sagte mir am Telefon:

„Dein Vater hat die besten Brezeln gebacken – er war der beste Bäcker von Tscheb“.

Dass Vater mit viel Freude gebacken und der Bäcker Beruf ihm Spaß gemacht hat, daran erinnert sich meine Mutter zu Lebzeiten noch gerne.


Elfriede Korol, geb. Ernst


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